DAF „20/20 Tour“ 30.09.17 in Berlin, Astra Kulturhaus
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Was ihnen schon alles nachgesagt wurde. Wegbereiter des Techno sollen sie sein, EBM begründet haben, nicht zuletzt werden sie als Vorväter des Electropunks gehandelt. Doch mit kühlem Lächeln schweigen sie zu jeglichem Versuch ihrer Historisierung: die Deutsch Amerikanische Freundschaft, kurz DAF, ist ein Mythos.
Was wir wissen: zwischen 1980 und 1982 sind innerhalb kürzester Zeit vier Alben von ihnen erschienen, die die Musikgeschichte weltweit verändert haben. Und DAFs internationales Renommee liegt dabei sicher nicht in ihrem Namen begründet, auf Freundschaft waren Gabi Delgado-López und Robert Görl nämlich nie aus – stets hart die Minen, durchdringend die Blicke und mit einer präzise inszenierten Kälte kommen sie daher, wo doch eigentlich so viel Hitze in ihnen herrscht.
Im Dunstkreis des Ratinger Hofs in Düsseldorf gründeten sich DAF zunächst als Quintett zwischen Fehlfarben, Der Plan, Mittagspause und Co., folgten dann aber einem konzeptuellen Ansatz, der neben Delgado-López und Görl keine anderen jungen Götter zuließ. Fortan operierten sie als Duo. Mit präzisem, am klassischen Jazz geschultem Schlagwerk, dem legendären Korg MS-20 und einem Fetisch-behafteten Militarismus in Sprechgesangsform, entwarfen sie binnen kürzester Zeit vier Alben, die man durchaus als Substitut für Sex, Drogen und Gewalt verstehen kann.
Zeigte das zur Hälfte mit Produktionen Conny Planks und auf der anderen Seite mit Live-Mitschnitten bestückte erste Album Die kleinen und die Bösen noch die Verwurzelung im originären Punk auf, entwarfen DAF mit Alles ist Gut, Gold und Liebe und Für immer ein Triptychon des ledernden, verschwitzten Hedonismus. Mit den Platten, die nun in der bei Grönland erscheinenden DAF-Box versammelt zu finden sind, wurde das Duo Anfang der 1980er Jahre schnell zum musikalischen Aushängeschild der Rhein-Region, auch international: DAF gehörten neben Kraftwerk und Can zu den Vorreitern der elektronischen Musik aus Deutschland.
Dabei waren sie auch immer Mode. Sequenzer, Synthesizer, souveränes Schlagzeug und schärfster Stakkato-Sprechgesang – diese Alliteration wird nur vom Begriff der Uniform gesprengt. Kaum eine Band nämlich hat es geschafft, ihren eigenen Look von Anfang an so souverän zu entwerfen, ihn gar zum Gegenstand ihres Werkes zu machen. Was ziehst du an heut Nacht? Verehrt euren Haarschnitt. Nun ja, und dann: Tanz den Mussolini.
Das Martialische in DAF wird lediglich von ihrer Verweigerungshaltung gebrochen, die einlädt, ihnen in die Dunkelheit zu folgen, sich den schwingenden Bewegungen Gabi Delgado-López’ zu ergeben, auch wenn dieser ganz für sich zu tanzen scheint – und vielleicht ist es dieser Widerspruch, der das Duo so unsterblich macht.
Die Musik von DAF, das lässt sich hier erfahren, ist der dunkelste und treibendste musikalische Imperativ, den es in Deutschland jemals gegeben hat.
SUPPORT:
PRADA MEINHOFF
Elektrische Chansons, Punk-Attitüde, noch Drama, Schnaps-Schorle, Synapsen in Flammen. Dieses Duo aus Berlin stellt nicht nur Tanzflächen auf den Kopf.
Hinter dem attraktionsbeladenen Erstkontakt verbirgt sich bei Prada Meinhoff ein Act, der es bei allem Feuerwerk nie nötig hat, sich mühsam interessant zu machen - sondern der tatsächlich genau das einlöst, wofür Pop einfach viel zu selten steht: Ekstase, Phantasie und Abriss. Mund auf, Augen zu!
Christin Nichols singt, ihre Performance ist eine Mischung aus Inszenierung und Intuition. René Riewer spielt dazu elektrischen Bass, während Beats den Raum füllen. Viel Schweiß, viel Euphorie, darum geht es – und wenn man es sieht und hört, kann man sich kaum vorstellen, dass das alles Mal ganz harmlos angefangen haben soll. Und doch ist es wahr.
So Berlin ein Act wie Prada Meinhoff wirken mag, so wenig urban beginnt diese Geschichte. Christin ist halb britisch, halb deutsch, wuchs auf in Spanien, in Norddeutschland machte sie die Schule fertig, für René kam es sogar noch ländlicher, von der Eifel zog es ihn erstmal ins betuliche Mannheim. Die haltlose Zeit in der Provinz prägt, doch es ist ihre Begegnung in Berlin, die das Match perfekt machen wird, oder wie es bei René heißt: „Chrissi bringt den Vibe, die Story, das Feuer, um meine musikalische Rakete zu zünden – klingt irgendwie versaut, egal, ist es ja auch.“
Gemeinsam liefern Prada Meinhoff ein Pulverfass aus Zeichen. Hier ist einfach so viel drin, diese Band läuft über. Man hat Bock, an Joan Jett zu denken, an Karen O von den Yeah Yeah Yeahs, an DAF, an eine wilde Nacht im Club, an Brecht, Wilhelm Busch und Donkey Kong - oder man kommt einfach zu dem Schluss: die Eurythmics sind wohl komplett verrückt geworden.
Wichtig ist allerdings wie schon erwähnt, dass das Vordergründige niemals Selbstzweck bleibt. Es gibt trotz des unmittelbaren Look and Feel, das diesen Act ausmacht, immer auch eine zweite Ebene. Wer will, ist eingeladen, hier mehr zu finden als atemlosen Hedonismus. Prada Meinhoff muss man erlebt haben. Einzige Ausrede: Man ist bereits tot. Dann ist man entschuldigt. Der Rest ist allerdings eingeladen, mit diesen beiden extraterrestrischen Vögeln die Mittelmäßigkeit abzuschaffen. Come as you are.